Sich einmal wie ein Star fühlen - in Bangladesch erfüllt sich dieser Traum. Für einen spontanen "kurzen" Spaziergang braucht man schon mal einen halben Tag: Schließlich will jeder ein Foto mit dem Touristen haben. Und Touristen sind selten.
Die Reise führt von der Hauptstadt Dhaka in die Mangrovenwälder der Sundarbans und über Barishal zurück nach Dhaka.
Der Verkehr in der 20-Millionen-Metropole Dhaka wird seinem Ruf gerecht: Es geht langsam voran, von allen Seiten wird geschoben und gedrängt, wer nicht aufpasst, kommt nicht vorwärts. Irgendwann kommt man aber im Hotel an, dann entfernt sich der Lärm und die Klimaanlage pustet gefilterte kühle Luft ins Zimmer. Doch das Leben findet draußen statt: Überall köchelt und brutzelt es, wird etwas angeboten oder dem neugierigen Touristen entgegengestreckt: Man kostet hier und da und ist überrascht, was die Küche hier hervorbringt: Eine Mischung aus Indien, Myanmar und westlichem Einfluss - von der Pizza über gefüllte Teigtaschen bis zum honigsüßen Baklava.
Der Freitag ist der Ruhetag, die mehrheitlich muslimische Bevölkerung geht gegen Mittag in die Moschee, währenddessen die Straßen ruhiger sind und somit die beste Zeit für eine Stadterkundung. Der christliche Friedhof in Dhaka mutet an wie aus einer längst vergessenen Zeit - die Gräber erinnern an Entdecker und Gesandte des britischen Imperiums, an holländische Händler und einfache Seefahrer. Die ehrenamtlich arbeitenden Studierenden der "Urban Study Group" zeigen gerne versteckte Ecken der Altstadt, üben dabei ihr Englisch und machen Touristen glücklich: Denn das haben noch nicht viele gesehen - die stolzen Ruinen der Kolonialzeit, die Handwerker, die in Hinterhöfen Schmuck herstellen, die Bauern, die auf dem Markt ihre Waren vom Land anbieten. Und alle sind freundlich, alle lachen einen an, alle wollen ein Bild mit dem Fremden: "What are you doing here? Welcome to Bangladesh!"
Der Gemüsemarkt in Dhaka grenzt an das Flussufer, hier geht es mit dem Boot entweder hinüber auf die andere Seite oder nur ein wenig mit der Holzdschunke entlang, um das Treiben zu beobachten: Menschen überqueren den Fluss, es wird Holz verladen, die großen Fähren aus Barishal kommen an (dazu später mehr). Die Eindrücke sind bunt, lebendig, hektisch - der Kopf kommt kaum hinterher, alles zu verarbeiten. Und immer wieder "Selfie! Selfie!" - immer freundlich bleiben, die Menschen freuen sich so sehr über die Anwesenheit der Besucher. Manchmal werden noch Familienmitglieder hinzugeholt, das kann schon eine Weile dauern. Derweilen wird Tee gereicht - pappsüßer Schwarztee aus den Plantagen im Norden des Landes. Und dann sind sie da: Die Großeltern, die Kinder, die Nachbarn - alle lachen, es werden Fotos gemacht, es wird gesungen, und für einen kurzen Augenblick vergisst man die Hektik und den Staub um einen herum.
Mit der Fahrradrikscha geht es über kürzere Strecken, für längere Wege nimmt man ein Tuk-Tuk - aus Sicherheitsgründen sind sie hermetisch vergittert, so dass niemand hineingreifen kann. Es gibt aber auch Uber - man hat die Wahl zwischen einem Auto und einem Motorrad. Letztere haben immer einen Helm für den ängstlichen Mitfahrer dabei.
Die Hauptstadt Dhaka bietet dem neugierigen Touristen Höhepunkte für mehrere Tage - neben historischen Kirchen, Tempeln und Moscheen gibt es Museen, Märkte und Paläste zu besichtigen. Aber auch Ausflüge in die nähere Umgebung sind lohnenswert, wie zum Beispiel "Panam City", eine der ältesten Städte in Bangladesh. Ein ganzer Straßenzug wurde rekonstruiert, dazwischen Grünanlagen und kleine Seen, heute für Besucher geöffnet und gerne als Filmkulisse verwendet.
Zwischen den größeren Orten in Bangladesch nimmt man den Bus oder die Bahn. Letztere bietet in der besseren Kategorie Klimaanlage und mehr Platz. Die Strecke führt über fast neun Stunden erst gen Norden, um einen großen Fluss zu überqueren (Brücken sind rar), bevor es dann nach Khulna geht, der Ausgangspunkt für eine Reise in das größte Mangrovengebiet der Erde. Reiseveranstalter bieten in dieser quirligen Hafenstadt ein- und mehrtägige Bootstouren an, die je nach Komfort im Preis unterschiedlich sind. Je länger man unterwegs ist, desto tiefer kommt man hinein in die unzähligen bewaldeten Inselchen, die zumeist unbewohnt sind und Krokodile, Hirsche und auch Tiger beherbergen. Letztere können gefährlich sein, deshalb schickt die Nationalparkverwaltung einen bewaffneten Beamten mit auf jede Bootstour.
Zurück in Khulna, geht es ostwärts nach Bagerhat, rund eine Autostunde entfernt. Mit dem öffentlichen Bus gelangt man dorthin - die Fahrt wird zum Abenteuer: Essensverkäufer, Bettler, Sänger - alles zieht am Platz vorbei. Belohnt wird man dann mit einer Moschee aus dem 15. Jahrhundert, die aufgrund der Anzahl der tragenden Säulen die "60-Säulen-Moschee" genannt wird. Sie ist eines der wenigen UNESCO-Stätten in Bangladesch. Ein Park mit einem großen See lädt dann noch zum Spaziergang ein.
Vor Ort lädt eine kleine Dorfstraße zu einer Wanderung ein: Es geht vorbei an Lehmhütten und kleinen Moscheen, an Tante-Emma-Läden und überall lachen die Menschen: Sie begrüßen die Touristen, laden sie in ihre Häuser ein und holen die Familie hinzu. Man ist der Superstar!
Wieder zurück in Khulna erlebe ich eine neue Art der Fähre: Die Menschen werden stehend in kleinen Booten auf die andere Flussseite gebracht. Der Fährmann steuert das Boot mit einem langen Stock, die Reisenden erreichen das andere Ufer - alles geht ganz zügig, da man ja gleich stehen bleibt. Alles ist aufregend: Der Fluss, die Menschen, das Kommen und Gehen. Und das alles nur für ein paar Cent ...
Mit dem Bus geht es weiter nach Barishal, eine Hafenmetropole im Südosten Bagladeschs. Hier lohnt ein Besuch des größten hinduistischen Friedhofs auf dem gesamten indischen Subkontinent: Das Grabfeld ist etwa 250 Jahre alt und es gibt ungefähr 15000 Gedenksteine. Mit ein bisschen Glück darf man Zeremonien zuschauen, die den Ahnen gelten.
Freizeitparks laden vor allem am Wochenende Familien zum Ausflug ein: In Barishal ist es der "Planet Park" unweit der Innenstadt. Das Thema wird in den vielen Fahrgeschäften umgesetzt - alles dreht sich um Planeten, Sterne, Mond und Sonne. Viele Cafés laden zum Verweilen ein und besonders am späten Nachmittag, wenn es etwas kühler wird, füllt sich der Park. Dann kann man auch die unzähligen Sperlinge beobachten, wenn sie die Bäume in Scharen besetzen.
Sie wird auch die "Titanic von Bagladesch" genannt: Das neueste Schiff, das die Strecke von Barishal nach Dhaka über Nacht befährt. Diese Schiffe haben eine lange Tradition, sie bringen die Reisenden über Nacht in die Hauptstadt. Die "Kreuzfahrtschiffe" bieten Übernachtungsmöglichkeiten in vielen Kategorien - vom Schlafplatz im Unterdeck bis hin zur mehrstöckigen Suite. Daneben gibt es Restaurants und freundlichen Begegnungen. Im Morgengrauen taucht die Millionenmetropole Dhaka im Dunst auf - langsames Reisen ist doch eine unglaublich schöne Erfahrung!
Bangladesch ist einer der größten Kleidungsproduzenten der Welt. Die lokalen Märkte verkaufen hier tonnenweise B-Qualität und Ausschussware. Ganze Märkte und Kaufhäuser bieten Klamotten an - die Händler erhalten sie in Säcken verpackt und wissen nicht, was genau drin ist. Deshalb sucht man nicht gezielt nach dem Wunschhemd, sondern schaut, was angeboten wird. Passt es nicht - eine andere Größe gibt es oft nicht. Dafür erwirbt man Markenware zu billigsten Preisen.
Die beste Reisezeit ist zwischen November und Februar, wenn es etwas kühler ist. Ein Visum bekommt man bei Ankunft am Flughafen (50 USD). Fast überall wird Englisch gesprochen. Hotel lassen sich über Online-Buchungsplattformen buchen, Taxis bestellt man mit Uber (nur Barzahlung möglich).
Stand: November 2022