Es geht in die Region Kaschmir, die sich von Pakistan über die nördliche Himalaya-Region Indiens bis nach China erstreckt. Der Bundesstaat in Indien, den Gerald bereist hat, nennt sich „Jammu und Kaschmir“ und ist ungefähr so groß wie England und Schottland zusammen. Die Region ist politisch umstritten und von ständiger Polizeipräsenz beherrscht. 2018, als Gerald dorthin reiste, war es friedlich.
Die Anreise erfolgt über Delhi nach Srinagar. Rund zwei Stunden dauert der Flug und lässt bereits vor der Landung erahnen, wie schön das Land sein muss: Weite Berge, tiefe Täler und grüne Streifen erkenne ich schon aus dem Flugzeug. Obwohl ich in Indien bleibe, muss man sich hier erneut mit einem Formular registrieren. Die SIM-Karten aus Indien funktionieren nicht, die lokalen sind unzuverlässig, so dass ich mich auf das WiFi in den Unterkünften beschränke. Die Fahrt mit dem Taxi zum schwimmenden Hotel gibt bereits einen guten Einblick über den umkämpften Zustand des Landesteiles: Ruinen, Militär und kaputte Häuser prägen das Stadtbild.
Die Millionenstadt auf rund 1.500 Metern Höhe liegt am Rande des Himalaya. Der zentral gelegene Dal-See bietet bereits schöne Ausblicke auf das Bergmassiv. Hier miete ich mich in einem der zahlreichen zu Hotels umgebauten Hausboote ein. Auf der Veranda am Ende des Bootes genieße ich den Sonnenuntergang.
Am nächsten Morgen schlage ich das Angebot des Vermieters aus, mir einen Fahrer für den Tag und meine Besichtigungstour zu organisieren. Ich laufe das Ufer hoch und finde selbst einen Taxifahrer, der mit heute die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zeigen wird. In der Stadt und um den Dal-See verteilt befinden sich mehrere Landschaftsgärten, die aus der Zeit der Mogulkaiser (16. bis 19. Jahrhundert) stammen. Tickets werden immer durch kleine Luken verkauft und die Schlangen sind lang. Man drängelt gerne und so komme auch ich zu einer Eintrittskarte. Wegen des schönen Wetters sind viele Leute unterwegs und man sieht auch einige Liebespärchen, die das Dickicht nutzen, um hier ein bisschen Privatheit zu finden.
Am nord-westlichen Ufer des Sees befindet sich die große Hazrat-Bal-Moschee, die ich aber nur von außen sehe. Die Moschee hat eine besondere Bedeutung für Muslime, da sie als Aufbewahrungsort eines Haares aus dem Bart des Propheten Mohammed gilt. Das Abendessen gibt es heute auf dem Schiff.
Am Morgen geht es mit dem Boot über den See zur Abfahrtsstelle des Wagens nach Kargil. Die rund 200 Kilometer lange Strecke wird mit einer Fahrzeit von fünf Stunden angegeben. Es ist eine von nur zwei Straßen, die Ladakh mit dem Rest der Welt verbinden (die andere Straßenverbindung ist der Leh-Manali Highway). Die Pässe gehen bis auf 4.000 Meter hinauf und die Straße ist nur sechs Monate im Jahr befahrbar. Die Straße ist an den Berghängen oft nicht für zwei Fahrzeuge nebeneinander ausgelegt, dennoch wird überholt und waghalsige Manöver gehören wohl zum Aushängeschild erfahrener LKW-Fahrer. Neben unserem Wagen geht es oft senkrecht in den Abgrund und oftmals gibt das Geröll unter dem Reifen nach. Da hilft es nur, die schöne Aussicht in der Ferne zu betrachten …
Kargil liegt auf einer Höhe von 2.700 Metern. Die Sommer sind heiß mit kühlen Nächten, im Winter fällt die Temperatur gerne unter -20 °C. Mein Gästehaus war sauber und am besten war die heiße Dusche, da nach der Pistenfahrt alles verstaubt und dreckig war. Die Menschen hier sind freundlich und laden Gäste zum Tee ein. Der Ort ist auch traurig berühmt für eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan 1999 mit rund 35.000 kämpfenden Soldaten.
Am nächsten Morgen treffen wir uns wieder am Fahrzeug, um die zweite Hälfte unserer Reise nach Leh anzutreten – wieder rund fünf Stunden für 400 Kilometer. Die Landschaft ist nun noch schroffer als gestern, aber es sind immer mehr buddhistische Stätten zu sehen und kaum noch muslimische Moscheen. Oft ist die Straße nicht geteert, was aber unseren Fahrer nicht davon abhält, einfach den Fuß aufs Gaspdeal zu drücken.
Leh ist die größte Stadt und die Hauptstadt von Ladakh. Der Sitz des früheren Königreichs wurde im gleichen Stil und etwa zur gleichen Zeit erbaut wie der Potala-Palast in Tibet. Leh liegt auf einer Höhe von rund 3.500 Metern. Die Stadt hat zwar nur 30.000 Einwohner, ist aber touristisch sehr belebt. Nicht nur die Zahl der Gästehäuser, auch Souvenirläden und eine Bäckerei namens „Pumpernickle“ (ein nepalesischer Bäcker fand den Namen so schön!) zeugen davon.
Über der Stadt thront der Palast, der um 1600 erbaut wurde und neun Stockwerke hoch ist. Die oberen Stockwerke beherbergten die königliche Familie, während die unteren Stockwerke Ställe und Lagerräume vorbehalten waren. Leider ist ein Großteil in verfallenem Zustand und von der Innenausstattung ist nur wenig erhalten. Neben dem Palast ist die markante Namgyal Stupa und die bunte Chandazik Gompa.
Die Fahrt führt uns zunächst über den höchsten befahrbaren Pass der Welt, den Umling La auf 5.880 Meter Höhe (Sauerstoffgehalt unter 50%). Dann geht es durch grüne Täler (unterwegs diese süßen Erdmännchen!) bis zum Pangong-See. Er liegt auf einer Höhe von fast 4.350 Meter und ist der höchstgelegene Salzwassersee der Welt. Sein tiefblaues Wasser steht in starkem Kontrast zu den braunen, trockenen Bergen, die es umgeben. Der Pangong-See erstreckt sich über fast 160 Kilometer, ein Drittel liegt in Indien und zwei in China. Ich übernachte direkt am See in einem Bungalow: es ist schon am Abend eisig kalt und in dieser Nacht ziehe ich nichts aus, sondern wickele mich noch in die bereitliegenden Decken ein.
Die Sanddünen von Hunder sind von schneebedeckten felsigen Bergen umgeben und laden zum Wandern und Reiten ein: Auf Trampeltieren geht es schaukelnd über den Sand. Diese zweihöckrigen Kamele sind ein Relikt aus der Vergangenheit, als Hunder ein Zwischenstopp auf der Seidenstraße war und Händler aus der Mongolei diese Tiere nutzten, um Lasten nach Ladakh zu transportieren.
Rund 15 Kilometer von Leh entfernt erreiche ich mit dem Bus das Shey-Kloster, das für eine dreistöckige Buddha-Statue bekannt ist. Der dazugehörige Palastkomplex ist mit vielen buddhistischen Türmchen („Chorten“) übersät.
Alchi ist ein Dorf am Ufer des Indusflusses, rund 70 Kilometer von Leh entfernt. Die Anlage liegt auf dem Flachland und nicht auf einem Hügel. Bereits im 8. Jahrhundert kam es zur Zerstörung einzelner buddhistischer Dörfer. Nur die Klöster Alchi in Ladakh und Tabo in Spiti wurden damals nicht zerstört, weil man sie vermutlich nicht gleich sehen konnte.
Mit dem Flugzeug geht es vom Regionalflughafen in Leh wieder zurück nach Delhi. Aus dem Fenster ist noch die schroffe Berglandschaft zu sehen, im Hintergrund das Himalaya-Massiv.